Kassel. Ein Treffen mit Bekannten, ein Restaurant- oder Museumsbesuch: Viele alltägliche Dinge sind für Menschen mit Demenz eine große Hürde. Dabei können soziale Interaktionen und insbesondere kulturelle Erlebnisse nachweislich zu ihrer Lebensqualität beitragen. Ein neues Kunstvermittlungsprojekt, das die Stiftung Lichtblicke der AWO Nordhessen ins Leben gerufen hat, setzt genau da an: Voraussichtlich ab Herbst wird es in der Kasseler Grimmwelt regelmäßig spezielle Führungen für demenziell erkrankte Menschen und ihre Angehörigen geben - ein niederschwelliges Angebot, bei dem es nicht darum geht, Wissen zu vermitteln, sondern über die Kunst in den Austausch zu gelangen. Selbst dann, wenn den Teilnehmern die Worte fehlen.
Bei der Umsetzung hat sich die Stiftung wissenschaftliche Unterstützung geholt: Dr. Arthur Schall und Dr. Valentina Tesky haben an der Goethe-Universität in Frankfurt intensiv zum Thema Kunstvermittlung für Menschen mit Demenz geforscht und werden das Kasseler Projekt begleiten. Beim Jahresfest der AWO-Stiftung Lichtblicke stellten die beiden Diplom-Psychologen auch die Ergebnisse einer von ihnen geleiteten Studie vor: Am Städel-Museum in Frankfurt hatten sie ein Führungsformat für Menschen mit Demenz und deren Angehörige erprobt, das auch künstlerische Workshops zu verschiedenen Themen umfasste. Anschließend wurden die Teilnehmer nach ihren Eindrücken befragt. „Die Antworten zeigten, dass das Kunsterlebnis nicht nur das Wohlbefinden der demenziell Erkrankten steigerte, sondern auch das der Angehörigen", erklärte Arthur Schall. Auch eine Abnahme von Apathie und Depressionen sei zu beobachten gewesen.
Was am Städel inzwischen zum festen Programm gehört, soll nun auch in Kassel etabliert werden - als Angebot für Menschen mit leichter und mittelschwerer Demenz. Die Grimmwelt sei ideal für ein solches Projekt, sagt die Brigitte Bergholter, Vorsitzende der Stiftung Lichtblicke: „Märchen begleiten uns von Kind auf und sind deshalb tief in unserem Unterbewusstsein verwurzelt." Die Dauerausstellung wecke Erinnerungen und biete viele Anknüpfungspunkte für Gespräche. Auch Julia Ronge, Leiterin der Vermittlung in der Grimmwelt, ist vom Erfolg des Projekts überzeugt: „Es gibt noch immer viel zu wenig kulturelle Angebote für Menschen mit Demenz. Dabei wächst diese Gruppe stetig." Die Grimmwelt sei ein Ort für jeden, deshalb sei das gesamte Team dem Projekt mit großer Offenheit begegnet.